Bill Ramsey statt Justin Bieber Drucken

Es  war einmal ? dieses Motto, das üblicherweise die Märchenerzählungen der Brüder Grimm einleitet, könnte durchaus über einem Konzertnachmittag stehen, über den sich Dutzende von Bewohnern im  Johanniter-Haus Dietrichsroth freuten. Allerdings:  Sie bekamen keine Märchen zu hören, sondern Live-Musik aus der guten alten Schlagerzeit. Womit die Jahre des Wirtschaftswunders, die  50-er bis 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gemeint sind. Eine musikalische Zeitreise durch die Jahre, als Katharina Valente und Freddy Quinn die Hitparaden dominierten. Als Bill Ramsey das Pariser Vergnügungsviertel Pigalle besang. Das war 1961.

Zu verdanken hat das Pflegeheim dieses Konzert dem Dreieicher Interton Trio. Das sind die drei Musiker Helmut Sauer, Hans Lenk und Karlheinz Kastner. Diese Combo selbst war es, die mit der Idee einer musikalischen Zeitreise auf das Johanniter-Haus Dietrichsroth zugekommen war, weil man ? Originalton Helmut Sauer ? ?etwas Gutes tun wollte?. Natürlich ganz ohne Honorar. Wobei anzumerken ist, dass Helmut Sauer als Chef des Interton Trios dem Förderverein des Altenpflegeheims, der ?Bürgerhilfe Dreieich? und damit auch dem ?Johanniter-Haus Dietrichsroth? seit jeher eng verbunden ist.

Das Interton Trio, das immerhin schon seit fast 50 Jahren in seiner aktuellen Besetzung auftritt und damit in Deutschland als  Ausnahmeerscheinung gilt, hat seine musikalische Zeitreise in den vergangenen Jahren schon bei vielerlei Gelegenheiten präsentiert und ist, wie man so sagt, gut im Geschäft. Das in erster Linie natürlich bei einem älteren Publikum, dem die Schlager meistenteils bekannt sind, hat man doch zu ihnen früher selber getanzt oder sich zumindest  die Schallplatten besorgt.

Die Bewohnerinnen und Bewohner gaben ein dankbares Publikum ab. Ihnen gefiel es, dass das Interton Trio bei seiner musikalischen Zeitreise  ohne Verstärker, ohne Strom und  ohne Steckdose auskommt und man sich nicht dem ?Krach? des  aktuellen Hitparaden-Sounds ausgeliefert sah. Lolita statt Lady Gaga, Freddy Quinn statt Justin Bieber.

Eine musikalische Zeitreise ohne die dazu passenden Getränke ? das geht überhaupt nicht. So war es denn auch eine Selbstverständlichkeit, eines der damals angesagten Getränke anzubieten:  den etwas  aus der Mode gekommenen Eierlikör pur, diese süßliche Mischung aus Alkohol, Eigelb und Zucker, die heute eher als Grundlage für Cocktails und Longdrinks dient.

Im Haus Dietrichsroth gab es ihn pur,  im Waffelbecher.  Eben so, wie man ihn vor 40 und mehr Jahren getrunken hat. Doch sicherlich lag es nicht am 17-prozentigen Alkoholgehalt dieses Kultgetränks, dass die Gäste im Café des Pflegeheims recht bald auf Touren kamen ? einige zumindest.  Während die überwiegende Zahl der Zuhörer dem Griff in die musikalische Mottenkiste interessiert lauschte, zog es viele andere auf die Tanzfläche. Wo der männliche Tanzpartner fehlte, drehten sich eben zwei Frauen im Kreise. Das blieb auch Pflegedienstleiterin Erika Gems nicht erspart, die mit einem der ältesten Gäste des Hauses, dem 92-jährigen Heinrich Rüttger,  eine kesse Sohle aufs Parkett legte  ? oder eben das, was beide dafür hielten.

Unter das Publikum gemischt hatte sich auch Günter Schmidt aus Bruchköbel,  der als Alleinunterhalter ?Schmidtchen Schleicher? des Öfteren im Johanniter-Haus Dietrichsroth auftritt. Weil es einen wie ihn nur schwer auf dem  Stuhl  hält, wenn in der Nähe Musik ertönt , komplettierte er das Interton Trio bei etlichen Titeln auf der Reise durch die Schlagerwelt der Vergangenheit.  Sei es beim ?Kriminal Tango?,  dem Wirtschaftswunder-Song  ?Geh?n  Sie mit der Konjunktur?,  diesen  bekanntesten Stücken von Hazy Osterwald,  oder auch dem Schlager ?An der Nordseeküste? von Klaus und Klaus.

Nach gut anderthalb Stunden war zwar das Repertoire des Interton Trios noch nicht erschöpft, in manchem Fall aber die Aufnahmefähigkeit des Publikums. So verabschiedete man sich zufrieden voneinander, freundlicher Applaus  dankte für einen Nachmittag, wie es ihn nicht alle Tage gibt.